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Dilemma

  • Autorenbild: AlinaB77
    AlinaB77
  • 26. Aug. 2022
  • 2 Min. Lesezeit

Das Auto rast, völlig unzeitgemäß, mit 160 Sachen über die Autobahn. Ich sitze auf dem Rücksitz und versuche, ein paar Bilder von vorbeiziehenden Windrädern zu machen. Für Instagram. Langweilig, denke ich. Und schiebe das Telefon zurück in die Tasche. Ich frage mich, warum ich so unausgeglichen und emotionslos bin. Richtig gelacht habe ich schon ewig nicht mehr, denke ich. Wo ist eigentlich der ganze Spass hin? Jetzt hole ich das Telefon wieder aus der Tasche und mache ein paar Wolkenbilder. Für Facebook. Mir ist entweder langweilig oder zum Weinen zumute. Sind es meine Gene, die Umstände, beides? Es könnte natürlich auch das Wetter sein. Mein fortgeschrittenes Alter. Oder die Pandemie. Vielleicht ist es auch das allgemeine irrsinnige, kuriose und selten gute Menschentreiben? Vermutlich aber ist es wie so oft meine Beziehung. Oder ist es der Schlafmangel durch das Baby und eine Bar unter der Wohnung? Mein vorpubertärer Sohn? Ganz zu schweigen von meiner beruflichen Nichtzukunft. Eigentlich war ich doch gerade im Urlaub. Ich muss feststellen, dass ich ganz schön runtergewirtschaftet bin. Zudem pleite und ideenlos. Meine Augenringe nehmen inzwischen mein ganzes Gesicht ein. Jetzt ist hier auch noch eine Mücke im Auto, während halb Griechenland brennt und die Taliban weite Teile von Fundus erobert haben. Ich drehe meinen bleischweren Kopf nach rechts. Das Baby schläft seelenruhig in seinem Kindersitz, nachdem es sich zuvor mit Händen und Füßen und ohrenbetäubenden Schreien minutenlang gewehrt hat. So einen Sitz gab es zu meiner Zeit gar nicht, denke ich. Da saßen ich und meine Brüder unangeschnallt im Auto, während mein Vater Kette geraucht hat, bei geschlossenem Fenster. Diese ganzen Regeln und Einschränkungen machen das Leben in Deutschland auch nicht gerade schöner, denke ich weiter. Das Baby sieht friedlich und glücklich aus. Wenigstens einer in der Familie. Ich muss mich jetzt endlich einmal fokussieren. Ich muss mir ganz dringend über meine nächsten Schritte im Klaren werden. Aber wie geht das? Irgendwie hat mir das keiner beigebracht. Ich hätte BWL studieren sollen, anstatt mich auf einer Schauspielschule mit darstellender Kunst zu beschäftigen, die mir nichts, aber auch keinen einzigen Cent einbringt. Ehrgeizig, vermutlich aber talentfrei, völlig unstrukturiert und planlos fällt mir nicht ein, womit ich in Zukunft, im Idealfall, Unmengen an Geld verdienen könnte. Geld, das ich dringend benötige. Um mich beispielsweise unabhängig von meinen Freund zu machen und mir zu gegebener Zeit ein Haus am Meer in Frankreich zu kaufen. Und Kunst zu sammeln. Haha. Ich weiß nur eins- die Eingewöhnung in der Kita steht an. Vor zwei Wochen klang es plausibel, als mir eine Freundin sagte, mein Freund solle doch die Eingewöhnung machen. Jetzt bin ich mir schon wieder unsicher. Erstens ist mein Freund nicht gerade begeistert. Und zweitens kann ich das Baby doch in so einer Situation nicht im Stich lassen. Ich bin doch die Mutter! Aber dann komme ich wieder nicht zum Schreiben. Und meine Nerven werden von einem mir unbekannten Umfeld und mir unbekannten Menschen strapaziert, die wiederum ganz neue Bilder aufrufen, die es dann wiederum einzuordnen gilt. Dabei sollte ich mich doch auf meine Figuren in meiner Serie, die vermutlich eh nicht gefördert wird, fokussieren. Dilemma. Baby, vorpubertärer Sohn, keine berufliche Perspektive, no Sex, Haushalt, eigene Krise, die Krise meines Freundes, die Krisen unserer Freunde. Krise allgemein.


 
 
 

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